Führungskräftebefragung: Integrität toppt Klimaschutz, neue Compliance-Risiken im Home Office
56 % der Führungsverantwortlichen großer Unternehmen erwarten von ihrem Arbeitgeber, dass er sich stärker als bisher für Integrität, Transparenz und Fairness im Wettbewerb einsetzt. Das belegt die Studie „Compliance und Integrität in der Krise“, die von der Kommunikationsagentur A&B One und dem Zentrum für Wirtschaftsethik (ZfW) vorgelegt wurde. Ein ethisch einwandfreies Geschäftsgebaren ist demnach für die Arbeitgeberbindung wichtiger als ein an Nachhaltigkeit oder Klimaschutz ausgerichteter „Purpose“. Integer zu handeln hat in den Unternehmen allerdings nicht immer oberste Priorität – so die Sicht der Befragten. Die Entwicklung einer wertebasierten Compliance-Kultur wird essenziell, weil die Arbeit im Home Office mehr Eigenverantwortung erfordert: Geltende Regeln sind dort weniger präsent, ihre Einhaltung kann schlechter kontrolliert werden. 37 % der Führungskräfte schließen nicht aus, dass es beim Remote Working zu mehr bewussten Regelverstößen kommt.
Frankfurt am Main/Berlin/Konstanz, 16. Februar 2021 – Auf allen Ebenen des Managements hält die Beunruhigung über immer neue Wirtschaftsskandale an. In der nun zum zweiten Mal aufgelegten Studie zur Bedeutung von Compliance und Integrität, für die 303 Führungskräfte aus Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten befragt wurden, erklärten die Teilnehmenden mehrheitlich, sie erwarteten von den Unternehmen mehr Einsatz für ökologische, rechtliche und soziale Werte.
Über die Bindung an den Arbeitgeber entscheiden zunächst die Arbeitsbedingungen: Freiräume, Work-Life-Balance, herausragende Produkte und wirtschaftlicher Erfolg. Dass der eigene Arbeitgeber Wert auf ein ethisch einwandfreies Geschäftsgebaren legt und auch in kritischen Situationen integer handelt, bewegt die Beschäftigten mehr als explizit soziale oder ökologische Ziele wie z. B. Umwelt- und Klimaschutz, Diversität oder Menschenrechte. Nachhaltigkeit bleibt wichtig, darf mit Blick auf die Gewinnung und Bindung von Mitarbeiter*innen aber nicht überschätzt werden.
Die derzeit unter dem Schlagwort ‚Purpose‘ diskutierte Verankerung von ökologischen oder sozialen Zielen im Geschäftszweck eines Unternehmens setzt ein breit verankertes Bewusstsein für integres Geschäftsverhalten zwingend voraus. Andernfalls wird aus dem Bekenntnis zu mehr Sustainability schnell das berüchtigte „Greenwashing“, mit erheblichen Reputationsrisiken. Eine isolierte Compliance- Betrachtung von Risikofeldern sollte daher auf ein integriertes Management der Unternehmensintegrität umgestellt werden.
Prof. Dr. Stephan Grüninger, Zentrum für Wirtschaftsethik
Viele Unternehmen setzen aus Sicht der Befragten allerdings andere Prioritäten: Der wirtschaftliche Erfolg hat Vorrang, die Arbeitsbedingungen treten dahinter zurück. Defizite sehen die Führungskräfte vor allem in ethischen Konfliktfragen: Nur die Hälfte bescheinigt ihrem jeweiligen Arbeitgeber, dieser lege viel Wert darauf, auch dann integer zu handeln, wenn sich das einmal „nicht rechnet“. 64 % der Führungskräfte sind beunruhigt über Skandale und Missstände in der Wirtschaft, und 53 % glauben, dass Fehlverhalten heute häufiger vorkommt als vor zehn Jahren.
Neue Compliance-Risiken durch Regel-Unsicherheit im Home Office
Knapp zwei Drittel der befragten Führungskräfte können im Home Office arbeiten, und sie nutzen dies seit Ausbruch der Corona-Krise auch intensiv. Bei der Arbeit daheim haben sie zu 41 % eine zunehmende Produktivität und zu 40 % neue Gestaltungsspielräume schätzen gelernt, der Teamgeist lässt allerdings eher nach.
Mit den neuen Freiheiten und den veränderten Arbeitsabläufen entstehen neue Compliance-Risiken. 71 % der Befragten berichten von neuen Unsicherheiten im Umgang mit Regeln, 54 % gehen davon aus, dass diese im häuslichen Umfeld schneller vergessen werden. Besonders beunruhigend: 37 % der Führungskräfte schließen nicht aus, dass es im Home Office auch mehr bewusste Regelverstöße geben wird. Gleichzeitig rechnen 61 % damit, dass die Unternehmen schlechter kontrollieren können, ob Richtlinien und Prozessvorgaben eingehalten werden.
Es gilt noch mehr als bisher, integres Handeln aktiv zum Thema zu machen. Bei der krisenbedingten Umstellung auf Remote Work hatte Compliance nicht immer oberste Priorität. Dezentrales Arbeiten erfordert aber in besonderem Maße eine klare Wertehaltung und die Bereitschaft zur individuellen Verantwortungsübernahme.
Hartwin Möhrle, Senior Advisor und Experte für Compliance-Kommunikation bei A&B One.
Offene Diskussionen und persönlicher Austausch schaffen Awareness
Viele Unternehmen investieren in die Förderung von regelkonformem Verhalten. Am häufigsten sind nach Auskunft der Befragten schriftliche Leitbilder oder Verhaltensregeln. Bei jeweils zwei Drittel der in die Studie einbezogenen Unternehmen gibt es eine eigene Abteilung für Compliance sowie entsprechende Schulungen.
Dennoch sind Regeln und Werte nach Aussage der Führungskräfte oft zu wenig präsent: 44 % sehen darin einen Schwachpunkt, der Fehlverhalten häufig begünstigt. 39 % der Befragten stimmen zu, dass die Führungsspitze Werte und Regeln zu wenig vorlebt, 35 % finden, dass im Unternehmen zu wenig darüber gesprochen wird, was „integer“ konkret bedeutet. Oft fehlt auch eine Instanz, bei der man Rat suchen kann. Wenn es eine Compliance-Abteilung im Unternehmen gibt, verbessert sich deutlich der Informationsstand; der Tone from the Top und die Awareness für Regeln im Arbeitsalltag verändern sich allerdings wenig – so die Analyse der Daten.
Die Befragung zeigt, dass in der Praxis zu wenig Wert auf persönlichen Austausch, Beratung und Diskussionsangebote gelegt wird. Diese Maßnahmen sind aus Sicht der Teilnehmenden besonders wirksam, werden aber nicht durchweg eingesetzt. Der offene Dialog erweist sich als effektiver Hebel für mehr Top-Level Commitment und Daily Work Awareness. „Die so häufig eingeforderte ‚Speak Up Culture‘ wird erst entstehen, wenn das Sprechen über Compliance-Themen aktiv gefördert und eingeübt wird“, so Hartwin Möhrle: „Der Tone from the Middle ist essenziell für Compliance. Er entwickelt sich nicht in E-Learning-Schulungen“. Der Studie zufolge gilt das erst recht für die Arbeit im Home Office: Das Regelbewusstsein verbessert sich, wenn Fragen von Compliance und Integrität auch in den Team-Meetings besprochen werden.
Studiendesign
Die Befragung stellt die Sichtweise des unteren und mittleren Managements und damit eine zentrale Zielgruppe von Compliance-Kommunikation in den Mittelpunkt. An der Studie haben 303 Führungskräfte aller Ebenen teilgenommen. Sie sind in der freien Wirtschaft beschäftigt und für Unternehmen mit mindestens 1.000 und bis über 100.000 Beschäftigten tätig. Die Umfrage fand im November 2020 statt und ist mit einer vorhergehenden Studie aus dem Jahr 2019 direkt vergleichbar.
Web-Talk „Compliance und Integrität in der Krise“ am 08. März 2021 um 14:30 Uhr
Im Gespräch mit Compliance-Praktikern stellen die Autoren Studienergebnisse, Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für das Integrity Management vor. Die einstündige Veranstaltung findet als Web-Meeting am 08. März 2021 um 14:30 Uhr statt. Anmeldungen auf www.a-b-one.de.
Den Studienbericht erhalten Sie gern auf Anfrage (presse@a-b-one.de)
Über A&B One
A&B One ist eine partnergeführte, unabhängige Kommunikationsagentur mit über 15 Jahren Beratungserfahrung im Kontext Compliance und Integrität. Die Agentur versteht sich als Problemlöser für Kommunikation und verknüpft dazu strategische und kreative Kompetenzen aus PR, Werbung, Design, Online und Marktforschung mit operativer Kampagnenfähigkeit. Als Community der Spezialisten beschäftigt sie 65 Mitarbeiter*innen an den Standorten Berlin und Frankfurt am Main.
Pressekontakt
Hartwin Möhrle
A&B One Kommunikationsagentur GmbH
Stresemannallee 30
60596 Frankfurt am Main
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