Christiane Schulz in der W&V: "Wir suchen junge Leute, die neugierig sind"

Die Nachwuchskampagne „Pro Agentur“ überzeugt offenbar. Die Initiatoren sind begeistert von den Bewerbungen, die sie erhalten.

Ein Interview mit GPRA-Präsidentin Christiane Schulz von Conrad Breyer.

Erschienen in www.wuv.de

Seit dem 17. Mai läuft die Nachwuchskampagne „Mach was draus. Komm in die Agentur“ (Motiv unten) digital wie analog. Und sie läuft gut. 42 Praktikanten wollten die Branchenverbände GPRA, GWA, OMG, BVDW, FAMAB und CMF für ihr Agentursurfing-Programm gewinnen, sechs Agenturen in drei Monaten in Deiner Stadt. Über 105 Bewerbungen haben sie erhalten, 67 junge Kolleginnen und Kollegen haben die Praktika schließlich angetreten, auch weil die Agenturen viel mehr Plätze bereit gestellt haben. Die Kampagne wirkt aber auch nach innen. Agenturleute sind endlich wieder stolz auf das, was sie tun. Die neue GPRA-Präsidenten Christiane Schulz ist zufrieden mit dem Ergebnis, sieht aber auch noch Probleme auf Kunden- wie Agenturseite und nicht zuletzt – im deutschen Bildungssystem.

Frau Schulz, die Kampagne „Mach was draus. Komm in die Agentur“ läuft viel erfolgreicher als erwartet. Sind Agenturen als Arbeitgeber doch nicht so unattraktiv?

Sowieso. Davon bin ich persönlich überzeugt. Wir müssen nur dem Nachwuchs die Vielfalt und Attraktivität von Agenturjobs näher bringen – und das haben wir mit der Kampagne getan.

Was genau ist eigentlich so attraktiv?

Dass wir gestalterisch tätig sind, dass man bei uns in einem dynamischen Umfeld arbeitet, nah am Puls der Zeit und eine Vielfalt erleben kann, die kaum ein anderer Job in der Kommunikation bietet. Da hatte die Kampagne einen guten Ansatz mit dem weißen, leeren Bildmotiv. Die Botschaft ist klar: Mach was draus, aus deinem Job, deinem Leben, deiner Zukunft. Das zieht. Und das Angebot, drei Monate lang in sechs verschiedenen Agenturen einer Stadt Agentursurfing zu machen, ist eine einmalige Chance, die jetzt eben viele nutzen wollen. Insgesamt haben wir 105 Bewerbungen erhalten.

Statt der 42 geplanten, Glückwunsch. Und das obwohl die Generation der Millennials, wie viele Ihrer Kollegen sagen, doch eigentlich gar nichts mehr leisten will.

Klar, nicht jede und jeder ist für den Job in einer Agentur geschaffen. Millennials sind schon ein Phänomen für sich. Denen geht es nicht mehr um ‚Schneller, höher, weiter‘. Die wollen zum Beispiel nicht so gerne führen, das ist ein Generationenthema, sondern lieber Teil eines Projektteams sein. Dabei ist es für sie wichtig, dass das Projekt aus ihrer Sicht sinnvoll ist.  Aber die anderen gibt es noch. Dir müssen wir kriegen. Junge Leute, die neugierig sind, einen Anspruch an sich haben.

Uns ist es mit der Kampagne gelungen, Hunderttausende junger Menschen zu erreichen und ihnen die vielen Berufsfelder in Agenturen aufzuzeigen. Das sind unsere Bewerber von morgen. Außerdem ist das auch eine Kampagne nach innen – für unsere vielen Kolleginnen und Kollegen, die es klasse finden, Agenturmensch zu sein.Die Kandidatinnen und Kandidaten für das Agentursurfing waren übrigens richtig gut. Da waren tolle Bewerbungen dabei.

Zum Beispiel?

Insgesamt sehr facettenreich. Die haben alles Mögliche geschickt: Videos, Audiobeiträge, Links zu Microsites, Designs, Stories, sogar ein Gedicht war dabei. Einer hat ein Video über sich gedreht, wie er zur Agenturwelt kam. Das war so professionell gemacht in Ton, Schnitt, Design. Solche Leute brauchen wir. Leute, die die „extra Meile“ gehen, wie wir es in den Agenturen häufig tun.

Ist das nicht zu viel verlangt? Agenturen fordern vom Nachwuchs vollen Einsatz, kreative Ideen, Überstunden, selbstverständlich. Und dabei sind gerade die Einstiegsgehälter gering.

Die 90er Jahre sind vorbei, in denen es in Agenturen schick war, die Wochenenden durchzuarbeiten. Ja, wir wollen kreative, leistungswillige, junge Leute, die mit Herzblut bei der Sache sind. Und es gibt auch arbeitsintensive Zeiten, das leugnet ja niemand. Aber gerade beim Thema Work Life Balance haben sehr viele Agenturen auch für Ausgleich gesorgt: Zum Beispiel mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Homeoffice-Regelungen oder Sabatticals. Und auch wenn die Einstiegsgehälter meist niedriger sind, so sind die Entwicklungsmöglichkeiten in Agenturen oft sehr viel besser als in vielen Unternehmen. Wir sprechen diese kritischen Themen übrigens auch ganz bewusst auf unserer Kampagnenwebsite an.

Für die Praktika in Ihrem Programm haben sich nicht wenige Studentinnen und Studenten der Ingenieurswissenschaften beworben sowie angehende Psychologinnen und Psychologen. Sind Quereinsteiger gut für Agenturen oder mangelt es in Deutschland nicht vielmehr an einem vernünftigen Ausbildungsangebot für die Kommunikationsbranche?

Insbesondere die PR, für die ich ja spreche, hatte vom Personal her schon immer einen heterogenen Background. Das ist auch gut, es gibt frische Impulse, neues Blut. Die Professionalisierung in der Ausbildung ist eher eine Entwicklung der letzten Jahre. Und selbst diese Absolventinnen und Absolventen können Sie nicht gleich auf Kunden loslassen. Es bedarf schon einer zusätzlichen Qualifizierung.

Das ist auch günstiger für die Agenturen.

Die Frage ist doch eher, was unsere Kunden bereit sind, für die Beratungsleistung eines Absolventen zu bezahlen, oder? Da fehlt einfach schlicht die Praxiserfahrung, die den Kunden einen Mehrwert bietet, die höhere Einstiegsgehälter rechtfertigen würde. In der Verfügungsdiskussion wird häufig vergessen, dass die Agentur durch ein intensives Ausbildungsprogramm noch mal durchschnittlich rund 30.000 Euro in die Trainees investiert.

Ihr Vorgänger Uwe Kohrs hat mal gesagt, die Absolventinnen und Absolventen der PR hätten zum Teil unglaubliche Vorstellungen davon, was sie schon alles können. Überschätzt sich der Nachwuchs gern mal?

An der Uni bekommt man eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung – das ist eine sehr gute Voraussetzung fürs Arbeiten in Agenturen, dennoch fehlt oft der Praxisbezug. Diese „Lücke“ füllen wir im Traineeship. Das sind gut eineinhalb Jahre, in denen man sich ausprobieren kann und in einem geschützten Raum lernen und auch Fehler machen darf. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass viele junge Trainees diese Zeit sehr schätzen. Manche sind ja gerade mal Anfang zwanzig wenn sie ins Berufsleben einsteigen!

Und dann drängen vor allem Frauen in die Agenturen. Ist Kommunikation weiblich?

Das sagt man ja immer. In PR-Agenturen gibt es generell rund 70 Prozent Frauen. Es gibt hier „weibliche“ Themen, wie Consumer Marketing etwa wo der Frauenanteil noch höher ist. Während Technik offenbar eher etwas für Männer ist.

Führungsrollen belegen Frauen aber wieder eher selten.

Das stimmt und ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit. Wir müssen das mehr fördern. Frauen sichtbarer machen. Und wenn ich mich so innerhalb der GPRA umschaue, so sind da schon einige Frauen in Führungspositionen. Unser gerade gewähltes Präsidium ist ja auch mehrheitlich weiblich.

Aber Sie sind insgesamt beruhigt, was die Zukunft von Agenturen angeht?

Ganz so rosarot ist die Sache nicht. Die Qualität der Bewerber nimmt schon ab. Das fängt bei der Rechtschreibung an. Es mangelt außerdem an Allgemeinwissen, das verschulte Hochschulsystem fördert nicht gerade die Selbstständigkeit der Jungen. Und natürlich müssen auch die Agenturen schauen, dass sie attraktiv sind. Wir liefern ja eigentlich ein gutes Produkt für Millennials, die gerne etwas tun, das einen Impact hat, auch gesellschaftlich. Wir bieten ein abwechslungsreiches, internationales Arbeitsumfeld, in dem man schnell Verantwortung übernehmen kann.

Wie Unternehmen auch.

Entscheidend ist die Kultur: Agenturen sind oft viel flexibler, lockerer als Unternehmen, was Arbeitszeitmodelle angeht, Aus- und Fortbildung, der ganze Spirit. Das unternehmensinterne Zusammenarbeiten ist häufig schwierig und der Weg nach oben ist in Unternehmen oftmals sehr viel langwieriger. Da bieten wir klare Vorteile.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Zwischenbilanz unserer Kampagne ist schon mal gut. Jetzt schauen wir, wie die Praktika ablaufen. Im Herbst entscheiden wir dann mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Verbände, wie wir die Kampagne im nächsten Jahr weiterführen. Denn Employer Branding ist kein One Shot, das muss schon über einen längeren Zeitraum laufen. Aber wir haben in diesem Jahr einen sehr guten Grundstein für die weitere Zusammenarbeit gelegt. Sechs Verbände, Hunderte von Agenturen, eine gemeinsame Kampagne. Wer hätte uns im letzten Jahr zugetraut, dass unsere kühne Idee am Ende wirklich erfolgreich umgesetzt wird?

Mit dieser Gattungskampagne haben die sechs Branchenverbände junge Leute in Agenturen gelockt.

Mit dieser Gattungskampagne haben die sechs Branchenverbände junge Leute in Agenturen gelockt (Rahmen wg. besserer Erkennbarkeit von wuv.de).


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