Social Listening: Künstliche Intelligenz krempelt die Kommunikationssteuerung um
Denken Sie bei „Künstlicher Intelligenz“ in erster Linie an sprechende Roboter und selbstfahrende Autos? Meinen Sie, als PR-Profis betrifft uns so ein technischer Kram nicht? Dann muss ich Sie mit diesem Artikel leider enttäuschen. Denn im Digitalzeitalter bieten Big-Data-Analysen mit Hilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz Unternehmenskommunikatoren quasi in Echtzeit früher ungeahnte Möglichkeiten der Kommunikationssteuerung. Wer die nicht nutzt, wird abgehängt.
Damals, als die Welt viel weniger digital war, ließen sich Pressesprecher Zeitungsauschnitte über ihre Firma regelmäßig per Post auf Papier zuschicken. Sie zählten, wie viele Veröffentlichungen es in welchen Zeitschriften und Zeitungen gab, um zumindest quantitativ im Nachgang den Erfolg – oder Misserfolg – ihrer vor Wochen geleisteten Pressearbeit zu dokumentieren. Nur begrenzt nützlich, aber es mangelte an gangbaren Alternativen.
Heute sieht das anders aus: Die digitale Revolution ermöglicht Unternehmenskommunikatoren heute, Resonanzanalysen quasi in Echtzeit automatisiert durchzuführen. Und dabei nicht einfach nur Erwähnungen zu zählen – sondern auch Themen und Tonalitäten zu erkennen, die eigene Position mit dem Wettbewerb zu vergleichen, entscheidende Multiplier zu identifizieren und sich anbahnende Kommunikationskrisen zu entdecken, bevor sie ausbrechen. Mit anderen Worten: Nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Analyse zeitnah und robust zu erstellen. Solche Analysen sind für Kommunikatoren wesentlich wertvoller für die Kommunikationssteuerung – und sie werden künftig selbstverständlich sein in gut geführten Pressestellen.
Social Listening legt das Ohr an die öffentliche Meinung
Auch wenn bedrucktes Papier sicherlich seinen eigenen Charme hat – aus Sicht der PR ist es ein Glücksfall, dass sich die öffentliche Kommunikation schwerpunktmäßig ins Internet verlagert hat. Denn durch redaktionelle Online-Publikationen und Soziale Medien, in denen sich auch andere Stakeholder direkt äußern, steht uns heute eine ungeahnt breite Datenbasis zur öffentlichen Meinung frei zur Verfügung. Diese Daten zu erfassen und auszuwerten nennt sich „Social Listening“.
Für das Faktenkontor ist das keine Zukunftsmusik: Wir werten in Zusammenarbeit mit unserem Partner Ubermetrics fortlaufend 350 Millionen deutsche und deutschsprachige, öffentliche Online-Quellen inklusive redaktioneller Publikationen und Social Media aus und erfassen daraus sämtliche Beiträge zu 5.000 führenden Unternehmen und 20.000 Marken. Wir belassen es aber nicht beim reinen Monitoring: Mithilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz, die von den Big-Data-Spezialisten Beck et al. Services entwickelt wurden, können wir die (häufig millionenfachen) Nennungen der Unternehmen und Marken automatisiert Themenfeldern zuordnen und einer Sentiment-Analyse im Hinblick auf eine positive, neutrale oder negative Tonalität unterziehen.
Mehrwert durch mehr Werte
Die Ergebnisse dieser Analyse erlauben uns nicht nur, schnell zu erfassen, was welche Quellen über ein konkretes Unternehmen und sein Marktumfeld berichten. Wir können auch frühzeitig erkennen, wenn der Kunde mit potenziell kritischen Themen in Verbindung gebracht wird, oder in welchen Bereichen die Öffentlichkeit das Unternehmen negativ sieht. Dies erlaubt eine schnelle Reaktion und kann im besten Fall sogar Krisen stoppen, bevor sie ausbrechen. Wir können auf Grundlage dieser Datenbasis auch jenseits von Krisenereignissen die Reputation von Unternehmen messen und mit der ihrer Wettbewerber vergleichen, um so konkrete Optimierungspotenziale aufzuzeigen.
Fazit
Im Digitalzeitalter weiterhin auf nur gelegentliche und rein quantitative Analysen der öffentlichen Meinung zu setzen, ist wie in einem nächtlichen Wettrennen durch einen dichten Wald nicht einmal mit einer Taschenlampe in der Hand gegen ein Feld von Wettbewerben anzutreten, die mit Nachtsichtgeräten ausgestattet sind.
Über den Autor:
Jörg Forthmann ist seit 2003 Geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsberatung Faktenkontor, die seit 2014 Mitglied der Gesellschaft der PR- und Kommunikationsagenturen (GPRA) ist.
Der Text ist im pr magazin Ausgabe 9/2019 in der Rubrik #AgenturderZukunft erschienen.
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