Ist Public Relations der bessere Journalismus?
Autorinnenbeitrag von Alexandra Groß – veröffentlicht am 20.03.2020 im PR Journal
Informationen, die von Unternehmen kommen, besitzen eine höhere Glaubwürdigkeit als Nachrichten aus traditionellen Medien. Das ist eines der Ergebnisse der jüngsten Sonder-Ausgabe des Edelman Trust Barometers. Auch wenn sich in der aktuellen Untersuchung die Ergebnisse primär auf die Corona–Krise beziehen, erhält dieses Ergebnis Unterstützung von wissenschaftlicher Seite.
„Leser von Nachrichten im Internet haben PR-Texte im Internet als glaubwürdiger bewertet als Texte von Journalisten zum gleichen Thema“. So äußerte sich Professorin Romy Fröhlich im Rahmen einer Podiumsdiskussion, die die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) anlässlich ihrer letzten Jahrestagung an der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt hat. Hintergrund ist eine Befragungsstudie, die unlängst am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung abgeschlossen wurde. Darin zeigt sich, dass Nutzer im Internet nur noch rudimentär zwischen journalistischen Inhalten und PR-Inhalten mit hohem journalistischen Simulationsgrad unterscheiden. Die PR-Texte – in der Studie wurden reale Inhalte getestet – wurden sogar als glaubwürdiger und interessanter bewertet als die journalistischen Texte zum gleichen Thema. Wow!
Die Diskussion hat schnell ergeben, dass Unternehmen und Organisationen schon sehr lange hohe Qualitätsmaßstäbe an ihre kommunizierten Inhalte ansetzen. Mitarbeiter und Nachwuchskräfte schauen inzwischen genauer hin, für welche Organisation sie heute arbeiten – und wie die Haltung der Arbeitgeber zu seriöser Kommunikation mit den wichtigen Bezugsgruppen ist. Ein Großteil der PR-Agenturen liefert dazu schon sehr lange ihren Beitrag. Nicht erst seitdem viele Nachbardisziplinen auch gemerkt haben, dass „Content King ist“. Gemeinsam mit ihren Kunden haben PR-Agenturen die Qualität der Information kontinuierlich verbessert.
Das liegt wohl auch unter anderem daran, dass in vielen PR-Agenturen inzwischen zahlreiche Journalisten arbeiten, die ihr Handwerk – neutrale und verständliche Informationsvermittlung – von der Pieke auf gelernt haben. In PR-Agenturen arbeiten sie allerdings weniger für die schnelle Schlagzeile, vielmehr stehen substanzielle Geschichten im Vordergrund. Natürlich machen auch Unternehmen und Organisationen Jagd auf Klicks, aber dabei geht es selten um die schiere Masse, sondern um Qualität und am Ende um den nächsten Kunden.
Ich spüre täglich, wie in dieser angespannten Situation, in der sich der Fokus der Inhalte massiv verschiebt, der Informationsfluss in LinkedIn abnimmt. Gut so. Mit Resonanz braucht man in Zeiten, in denen sich die Relevanzmaßstäbe von Inhalten verschieben, eh nicht zu rechnen. Der Aufruf von Professor Thomas Pleil von der Darmstadt University of Applied Sciences über Twitter, die Werbeaktivitäten doch mal zu überdenken, kommt da gerade recht.
Gleichzeitig kann man sich nur über die Schlagzeilen einiger Medien wundern, die die Öffentlichkeit mit Corona-Live-Tickern und immer wieder neuen und vermeintlich atemraubenden Schlagzeilen überziehen. Wie eine Droge sollen Leser im Web dazu verführt werden, jede einzelne Schlagzeile zu konsumieren. Dies, obwohl große, nationale wie internationale Medien festgestellt haben, dass eine Reduktion der Nachrichten im Web am Ende für mehr Leser sorgt.
Wen wundert es da noch, dass bei solchem journalistischem Brachialvorgehen die Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt und man sich an PR-Texten orientiert. Dass PR die bessere Werbung ist, daran zweifelt inzwischen ja niemand mehr, aber dass PR zum besseren Journalismus mutiert, wäre eine bedenkliche Entwicklung. Dazu ist die Aufgabe der unabhängigen Medien als Korrektiv in einer demokratischen Gesellschaft viel zu wichtig. Was PR und Journalismus aber gemeinsam haben, ist die gestiegene Verantwortung bei der Informationsverbreitung. Mir wäre es am liebsten, wenn wir künftig gemeinsam den Qualitätsanspruch an gute Information noch weiter nach oben drehen.
Über die Autorin: Alexandras Groß ist seit 2019 Vorstandsvorsitzende der Fink & Fuchs AG. In ihrer Rolle ist sie verantwortlich für die übergeordnete Gesamtleitung und die strategische Weiterentwicklung der Kommunikationsagentur. Seit Mai 2017 ist sie zudem stellvertretende Präsidentin der GPRA – Gesellschaft der führenden PR- und Kommunikationsagenturen in Deutschland.
Kommentare zu diesem Beitrag
Einen Kommentar hinzufügen