Strategisch, digital, agil – Wie der Effizienz- und Qualitätssprung in der Unternehmens-kommunikation gelingt.
Ein Kommentar von Sabine Hückmann, CEO bei Ketchum Pleon zum Beitrag von D. Horstkötter und T. Oltmanns (Roland Berger)
Vorneweg: 24 launig geschriebene Seiten mit einer ganzen Fülle interessanter Sichtweisen auf den Themenkomplex Unternehmenskommunikation. Die Lektüre lohnt sich: Aus jedem Kapitel lassen sich Breite und Tiefe der Erfahrungen aus einer Fülle von Beratungsprojekten zur Reorganisation von Kommunikationsabteilungen der Kollegen von Roland Berger herauslesen.
Auf Basis unserer Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einer nicht minder kleinen Anzahl an Kommunikationsabteilungen möchte ich dem Papier noch drei Dimensionen hinzufügen.
Zusammengefasst: Es muss sich etwas an der Betrachtungsweise der Kommunikationsabteilungen ändern. Auch von oben. Effizienz steigern und Qualität erhöhen reichen nicht. So lange Kommunikation – im Gegensatz zum Marketing – weiterhin als operative Technik und nicht als integral wertschöpfend betrachtet wird, behandelt man Symptome, ohne sich der unternehmerischen Ursache zu nähern. Deshalb: Kommunikatoren, arbeitet an Eurem Selbstverständnis, kooperiert und steckt gleichzeitig Eure Claims ab – und managt Eure internen Stakeholder aus dem Management entsprechend. Kurz gesagt: Macht für Euch selbst, was Ihr gut könnt.
Traut Euch, Euren wirklichen Wertbeitrag zu beziffern
Ich zitiere: „Die Kommunikationsleiter müssen Effektivität und Effizienz künftig deutlich erhöhen, um ihren Wertbeitrag für das Unternehmen zu demonstrieren und mit oftmals gekürzten Budgets den Kommunikationsoutput mindestens zu halten. Ihre Abteilungen sind nun in allen Dimensionen herausgefordert: Selbstverständnis, strategische Ausrichtung, organisatorische Aufstellung, Zusammenarbeitsmodell, Prozesse und Abläufe.“
Der Wertbeitrag einer Kommunikationsabteilung darf sich keinen Tag länger nur im Kommunikationsoutput bemessen lassen. Wo sind die Wirkungsebenen Outcome und vor allem der Outflow geblieben? Mir geht es hier nicht um das Herumtheoretisieren. Vielmehr manifestiert sich ein fundamentales Problem in der Betrachtungsweise von Kommunikation: So lange die aus dem Controlling gelernte Input-Output-Betrachtung in der Unternehmenskommunikation vorherrscht, lässt sich die Wirkung von Kommunikation wunderbar in der Reichweitenecke abstellen. Sind wir mal ehrlich: Schon beim Messen des Outcomes tun sich viele Unternehmen schwer. Budget für die Maßnahmenliste A bis Z ist da, aber Budget für ein cleveres Ursache-Wirkungskonzept oder eine saubere Reputationsmessung ist seltener da, als wir uns alle wünschen. An die unmittelbare Wertschöpfungsbeziehung trauen sich viele Kommunikatoren erst gar nicht oder nicht mehr heran. Wer wiederum seit Jahren in dieser Reichweitenecke feststeckt, wird seine unternehmensinternen Stakeholder kaum an neue KPIs gewöhnen, die über „Auflage“ oder „Views“ hinausgehen. Hier das Output-Level hoch zu halten, ist in Zeiten fragmentierter Aufmerksamkeit und sinkender traditionell-medialer Reichweiten eine Kunst für sich. Gelingt dies nicht, beginnt hier oft genug der Teufelskreis weiterhin sinkender Budgets: Die Kommunikationsbudgets wandern anschließend dahin, wo es gelernte Ursache-Wirkungsmodelle gibt. Und dies leider auch, weil zu wenige Kommunikatoren sich trauen, ihrem Board oder ihrer Geschäftsleitung unbequeme Wahrheiten und neue Messgrößen zuzumuten
Know who, know what, know where
Vollends absurd wird es, wenn sich schrumpfende Industriezweige in ihrem ebenfalls schrumpfenden Fach- und Special-Interest-Medienmarkt mit ihren Wettbewerbern um jedes Fitzelchen Share of Voice batteln. Vier Pressemitteilungen pro Arbeitstag in der Automobilindustrie – noch Fragen? Warum nicht neue Kanäle ausprobieren und sich andere Zielgruppen erschließen, weil die alten Zielgruppen offensichtlich deutlich weniger oder deutlich weniger relevant geworden sind? Weil man dafür andere Inhalte und Formate entwickeln müsste. Man müsste sich mit den Konzepten von Relevanz und der Customer Journey auseinandersetzen. Und nicht einfach die Corporate-Spam-Maschine anwerfen und den Rest dem Marketing überlassen. Dass dies nicht konsequent passiert, ist selten die alleinige Schuld der Kommunikationsabteilung. Hier spielen gelernte und künstlich „erfolgreich“ gehaltene Mechaniken und ein gewisses Beharrungsvermögen des C-Levels ebenfalls mit. Zitat: „Wer in interne Auswertungen der Unternehmen über die versendeten Pressemitteilungen schaut, wird zumeist traurige Zahlen über Abdruckquoten und aufgenommene Botschaften („Share of Voice“) finden. Zur Verteidigung des Formats wird häufig die Breitenwirkung über Presseportale angeführt, die Reichweite und Sichtbarkeit erhöhen.“
Apropos Breitenwirkung: Auf die Frage „wen wollen Sie damit erreichen“, ist mein Lieblingsbriefing übrigens, „die breite Öffentlichkeit“. Die Nachfrage nach dem Warum oder was die Rezipienten dann bestenfalls denken oder machen sollen wird nicht selten mit „der Chef will es einfach“ beantwortet.
Kommunikatoren, kooperiert bitte
Nein, ich will Corporate Communications nicht dem Marketing und damit dem Absatz unterordnen. Hier hat auch Roland Berger glasklar Stellung bezogen, unter anderem mit dem Verweis auf die „licence to operate“. Aber lernen sollte man von den Kollegen aus dem Marketing. Und vor allem viel öfter kooperieren, um wirklich messbar effektiv und effizient zu kommunizieren. Der Kooperationsaufruf gilt natürlich auch umgekehrt. Es werden nach wie vor Mannjahre verschwendet, weil Content doppelt und dreifach erstellt wird. Die PR-Leute beschweren sich, es sei zu flach und werblich, was aus dem Marketing kommt. Die Werber reklamieren Feature-Porno, dem Marketier fehlt der Call-to-action. Diese Liste kann man endlos weiterführen. Das wirklich Schlimme daran ist, dass oft genug alle recht haben. Warum sollte ich nicht gleich das Making-of, die Memes für die sozialen Kanäle oder Interviews mit den Machern für die interne Kommunikation mitdrehen, wenn ich etwa einen Kampagnenfilm drehe? Ein Newsroom-Konzept alleine hilft hier allerdings nur bedingt weiter. Denn eine Kampagne – nahezu egal welcher Größe – muss von vorneherein schon so gedacht sein, den Kommunikationskosmos weitestmöglich abzudecken. Dann lässt sich die Content-Produktion wirklich durchsteuern und für Paid, Earned, Shared und Owned Media optimieren. Das hat beispielsweise jüngst Citroën mit seiner „Zitrön“-Kampagne wunderbar vorgemacht. Die Lorbeeren konnte wirklich jeder Content- und Kanalexperte zusammen mit den Strategen ernten.
Das Schöne an der ganzen Diskussion hier: Wir können parallel zur Fehleranalyse auch dem Change sozusagen live bei der Arbeit zusehen. Es gibt sie nämlich, die Kommunikationsabteilungen, in denen schon so gedacht und gearbeitet wird. Vielleicht nicht vollumfänglich, aber oft genug mit Piloten kleineren Umfangs. Dann können alle sehen, wie es sich anfühlt, außerhalb des Silos zu agieren, sich Messgrößen zu überlegen, die wirklich etwas bedeuten, Formate und Inhalte, die die Zielgruppen tatsächlich ansprechen – und vor allem: etwas bewirken. Und das ist es doch, was wir letztlich alle wollen.
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