Die drei Säulen der starken Arbeitgebermarke: Missionen, Mitmenschen, Möglichkeiten

Von Max Ströbel, Geschäftsführer Strategie bei achtung!

Weltmarken wie SAP oder BMW haben im Personalmarkt ein Problem weniger. Wo aber können Verantwortliche ansetzen, die nicht über eine „Love Brand“ verfügen? Wie sie im Kampf um Talente wirksam gegenhalten können – ein Leitmodell von Max Ströbel, Geschäftsführer Strategie bei achtung!.

Was denken Sie: Hängt der künftige Erfolg Ihres Unternehmens vor allem an Ihrer Entwicklungsabteilung? Oder vor allem an Ihrem Vertrieb? Oder vor allem an Ihrem Finanzdepartment? Oder an Ihrer neuen Unternehmenssoftware? Falsch. Der künftige Erfolg Ihres Unternehmens hängt zuallererst an einer ganz anderen Entwicklung: dem Aufbau einer empathischen Unternehmenskultur. Eine empathische Unternehmenskultur – eine Organisationskultur also, die aufrichtig und ernsthaft den einzelnen Menschen und dessen Bedürfnisse erkennt, versteht und auf sie einzugehen versucht – wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor mit Blick auf die unternehmerischen Herausforderungen der kommenden Jahre. Dies gilt einerseits für Ihre Absatzseite, wo die Digitalisierung eine immer granularere Kundenzentrierung erzwingt, in B2B-Märkten wie in B2C-Märkten. Doch in ganz besonderem Maße wird eine empathische Unternehmenskultur zum wesentlichen Faktor im Personalmarkt. Gerade für uns in Deutschland. Stichwort Demografie und Fachkräftemangel. Die Empathisierung Ihrer Unternehmenskultur wird damit auch zur Erfolgszutat Nr. 1 für die Führung Ihrer Arbeitgebermarke. Mehr noch: Sie wird zur Bedingung, dass Ihre Arbeitgebermarke in Zukunft überhaupt wettbewerbsfähig sein und bleiben kann.

Warum ist eine empathische Unternehmenskultur entscheidend?


Die Gegenwart, die wir alle erleben, wird etwas sperrig, aber treffend mit dem englischen Akronym VUCA umschrieben: Die Globalisierung, die unklare wirtschaftspolitische Lage und die enorme Digitalisierungsdynamik (mit ihren Phänomenen Verdichtung und Kommunikationsflut) haben die Arbeitswelt für die meisten von uns in den letzten Jahren VOLATIL, UNGEWISS, KOMPLEX und MEHRDEUTIG gemacht. Auch wenn das Buzzword VUCA nicht jedem geläufig sein muss: Das Gefühl, das es beschreibt, kennt jede und jeder von uns – quer durch alle Erwerbsgenerationen. Alles kann jederzeit seine Gültigkeit verlieren. Und dieses diffuse Gefühl macht etwas mit uns: Ob Sie heute eine spezialisierte Fachkraft Anfang 50 oder ein 25-jähriger Millennial sind – Sie spüren, dass es mehr denn je ZusammenARBEIT und ZusammenHALT braucht. Es wächst unser menschliches Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu Umgebungen, auf die wir vertrauen können. Das Zielbild des empathischen Unternehmens ist eine solche Umgebung. Es ist die Antwort auf ein kollektives und individuelles Empfinden. Wenn es Ihnen nun als Arbeitgeber gelingt, beim Einzelnen jeweils das Gefühl zu vermitteln: „Hier werde ICH mit meinen Wünschen und Zielen gesehen, gehört und verstanden, hier fühle ICH mich richtig eingebunden“ – wenn Sie dies intern Schritt für Schritt verwirklichen und zugleich nach außen vermitteln können, dann verschaffen Sie sich im Personalmarkt mithilfe von vermeintlichen Soft Skills einen harten Wettbewerbsvorteil. Gerade in einer Zeit der aufkommenden Automatisierung durch KI/AI (nicht zuletzt auch im Personalwesen) wird das empathische Unternehmen zur attraktiven Alternative zu namhafteren Marken – sei es für junge Uni-Absolventinnen und -Absolventen, Auszubildende, verlässliche Kräfte auf mittlerem Lohnniveau oder begehrte Software-Ingenieure mit Python-Kenntnissen. Der einzige Weg dorthin führt über eine gelebte, implizite Kultur – nicht über eine rein explizite, die sich auf eine dekorative Wertetafel an Ihrem Empfang und auf Ihrer Karriereseite beschränkt. Das Zielbild des empathischen Unternehmens ist kongruent. Die Fassade neu anstreichen funktioniert nicht mehr. Denn die Arbeit in unseren Unternehmen ist keine Blackbox mehr, sie ist (auch dank Glassdoor und Kununu) längst gläsern geworden. Als Verantwortliche müssen wir das akzeptieren. Ob wir wollen oder nicht.

Wie können sich Verantwortliche diesem Zielbild operativ annähern?


Bei aller Verschiedenheit der Bedürfnisse zwischen Funktionen, Levels und Generationen: Meine persönlichen Erfahrungen als langjährige Führungskraft in einer personalintensiven Dienstleistungsbranche und die Auseinandersetzung mit Dutzenden von Studien zum Thema haben mir ein Muster aufgezeigt. Das möchte ich mit Ihnen teilen. Es sind drei universelle Motivatoren, die Menschen heute dazu bewegen, in ein Unternehmen zu kommen, dort zu bleiben und in der passenden Rolle produktiv zu sein – Missionen, Mitmenschen, Möglichkeiten. Es sind diese drei allgemeingültigen Motivatoren, die zugleich ein anwendbares Leitmodell für die Praxis bilden, mit dessen Hilfe wir eine Organisation im Großen wie im Kleinen sukzessive dem Zielbild des empathischen Unternehmens näher bringen. Und mit denen wir unsere Arbeitgebermarke attraktiv machen können. Mein Rat: Denken und handeln Sie konsequent entlang dieser drei universellen Motivatoren. Bei der Darstellung Ihrer Employer Brand nach außen – und bei der Fokussierung beteiligter Führungskräfte nach innen.

Missionen


Ja, Sie haben richtig gelesen – Plural. Ihr CEO mag vielleicht mit voller Leidenschaft die eine übergeordnete „Vision“ verfolgen. Die ArbeitsWIRKLICHKEIT in Ihrem Unternehmen aber besteht aus einzelnen Teilaufgaben, Projektteams und Workstreams – mit konkreten, immer öfter messbaren Zielstellungen. Scheuen Sie sich daher nicht, mehrere spezifische, entsprechend „kleinere“ und konkretere Teilmissionen für einzelne Funktionen und Geschäftsbereiche zu formulieren: Sie geben Interessenten, Kandidaten, Mitarbeitern und Teams einen greifbareren Motivationsrahmen. Missionen sind spannend für Kandidaten. Und sie stärken bei Ihren Mitarbeitern die Identifikation mit ihren Aufgaben ganz unmittelbar. Viel unmittelbarer, als dies eine UnternehmensVISION (oder auch „Purpose“) dauerhaft könnte – die im Zweifelsfall entweder austauschbar klingt oder aber auf den normalen Mitarbeiter konstruiert und an den Haaren herbeigezogen wirkt. Gerade in einer VUCA-Welt. Und Hand aufs Herz: Wer von uns arbeitet schon für ein Unternehmen, für das sich eine Purpose benennen ließe, die so zwingend und kraftvoll ist wie die Purpose eines Chirurgen oder Bombenentschärfers? Also: Gruß an Ihren CEO, gut, wenn er eine große Vision hat – er darf sie ganz allein haben. Zielführender ist es, mit Missionen zu operieren und zu motivieren. Sie geben Menschen in ganz unmittelbarer Form wirklich Sinn und Bedeutung in ihren spezifischen Rollen. Und ja, nutzen Sie Missionen auch in der operativen Darstellung Ihrer Arbeitgebermarke – also in möglichst funktions- und bereichsspezifischen Auftritten und Narrativen.

Mitmenschen


Kultur entsteht nicht durch einen Kickertisch. Kultur entsteht, wenn Führungskräfte 1:1 mit Mitarbeitern sprechen, zuhören und zu verstehen versuchen, was dem Einzelnen wichtig ist. Kultur entsteht an der Interaktionsschnittstelle zwischen Mensch und Mensch. Die Wahrheit ist: Ihre Mitarbeiter arbeiten zuallererst für Menschen – nicht für Ihre Organisation. Wenn Sie gute Leute verlieren, dann verlieren Sie sie in aller Regel nicht an andere Unternehmen – sondern an bessere Führungskräfte. „A good boss is better than a good company”, sagt Jack Ma dazu. Immerhin der CEO des chinesischen Milliardenkonzerns Alibaba. Ihren Führungskräften – besonders jenen der mittleren Ebene – fällt damit die kulturelle Schlüsselrolle zu: Sie prägen den Umgang miteinander. Sie verstehen sich bestenfalls nicht als Chefin oder Chef, sondern als Coach. Sie sind es, die auch Spaß als eine Kraft zulassen – und ein Zusammen, ein WIR erzeugen. Sie sind es, die toxische Herde und politische Spielchen verhindern können, die die heute so wichtig gewordene Veränderungsgeschwindigkeit bremsen. Sie geben Wertschätzung, Transparenz und Feedback im Alltag. Sie können Potenziale oftmals schon vor einem Mitarbeiter erkennen. Und dann dabei helfen, dass er oder sie diese persönlichen Potenziale erschließt. Ihre Führungskräfte sind es, die tagtäglich ein Gefühl einer kleinen „Arbeitsfamilie“ erzeugen – dem vielleicht stärksten Instrument zur Mitarbeiterbindung und zum Aufbau einer empathischen Unternehmenskultur. Aus der Keimzelle Team heraus. Schulen, motivieren und unterstützen Sie Ihre Teamleiter entsprechend – und setzen Sie auch im Auftritt Ihrer Arbeitgebermarke konsequent auf (echte!) Teamleiter. Am besten im Gespann mit echten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sei es in Stellenanzeigen und Videos, als „Corporate Influencer“ oder auch schon früh im persönlichen Anbahnungs- und Bewerbungskontakt. Nur sie sind glaubwürdige Botschafter, die echtes Vertrauen in Ihre Arbeitgebermarke schaffen.

Möglichkeiten


Sie bilden den dritten universellen Motivator, in Ihr Unternehmen zu kommen, zu bleiben – und die eingenommene Rolle nachhaltig engagiert auszufüllen. Dazu gehören klassische Karrierepfade. Aber eben nicht nur. Zeigen Sie unterschiedliche Perspektiven für den Einzelnen schon in der Kandidaten-Journey konsequent auf, möglichst frühzeitig und vor allem proaktiv – in enger Abstimmung mit den Führungskräften aus den Fachbereichen. Und sensibilisieren Sie Ihre Teamleiter für die enorme Bedeutung, die eine Perspektive der Entfaltung und der Handlungsautonomie beim Einzelnen erzeugt – die dann entsteht, wenn der einzelne Kandidat oder Mitarbeiter sich in Ihrem Umfeld (weiter)entwickeln und wachsen darf. Denken Sie dabei auch in horizontalen Karrieren, die für immer mehr ältere Erwerbstätige durchaus interesssant sind und neue Motivation bieten können: im Sinne eines persönlichen Wachstums, das Menschen zufriedener macht, wenn sie die Möglichkeiten nicht als Druck empfinden, sondern als Vertrauen in ihre Person. „Du kannst.“ Helfen Sie also den Menschen beim Wachsen – und Ihren Führungskräften beim Wachsenhelfen. Immer mit Blick auf ein individuell angemessenes Tempo. Und dann: Sprechen Sie außerhalb des Unternehmens darüber, und lassen Sie darüber sprechen und berichten, welche Möglichkeiten Ihr Unternehmen zu bieten hat. Im Außenauftritt Ihrer Arbeitgebermarke zum Beispiel in Videos zu ungewöhnlichen Karrierewegen; diese sind oft der überzeugendste Beweis. Für Möglichkeiten stehen aber nicht nur „Karriere“ und „Entfaltung“ – auch beispielsweise eine gute IT-Infrastruktur steht heute für Möglichkeiten: Sie ist ganz besonders für jüngere Talente von ganz erheblicher Bedeutung, und mit dem Eintritt der Generation Z ins Berufsleben fällt sie nochmals stärker ins Gewicht. Sammeln und schaffen Sie auch hier gute Argumente für Ihr Unternehmen.

Fazit – tl;dr


Arbeiten Sie gezielt an der Entwicklung einer empathischen Unternehmenskultur. So – und nur so – können Sie auch ohne „Love Brand“ von Weltruf zu einem Gewinner des Wandels im Personalmarkt werden. Holen Sie sich den Buy-in Ihres Top-Managements für dieses Zielbild; es ist die entscheidende, vielleicht einzige Chance, als Arbeitgeber attraktiv zu sein und zu bleiben, auch wenn Ihr Unternehmen auf den ersten Blick nicht die Strahlkraft von BMW oder SAP besitzt. Denken und konzipieren Sie Ihr Angebot als Arbeitgeber intern wie extern konsequent entlang der drei Säulen Missionen, Mitmenschen, Möglichkeiten. Es sind die drei universellen Motivatoren für Arbeitnehmer aller Erwerbsgenerationen, Funktionen und Levels. Im Ergebnis werden Sie zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter erleben. Sie werden Veränderungsängste nehmen. Sie werden bessere Kandidaten finden. Sie werden eine positive Reputationsspirale in Gang setzen. Und mit großer Wahrscheinlichkeit eine höhere Produktivität erzeugen.

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